Geballtes Baustoffwissen an einem Tag: 12. Baustoff-Technik-Tag
Beim 12. Baustoff-Technik-Tag des Industrieverbands Steine und Erden Baden-Württemberg e.V. (ISTE) am 7. Februar 2023 in Filderstadt kamen etwa 60 Verantwortliche der Bau(stoff)wirtschaft zusammen, um aktuelle Entwicklungen und Herausforderungen zu diskutieren. Die Veranstaltung beinhaltete sieben Fachvorträge mit drei Hauptthemen: Straßenbau und Regelwerke, Innovationen und Anwendungen sowie Nachhaltigkeit und Digitalisierung. Nach den pandemiebedingten digitalen Veranstaltungen in den Vorjahren fand der diesjährige Technik-Tag wieder in Präsenz statt, was vom ISTE-Vizepräsidenten Oliver Mohr als wichtige Gelegenheit zum persönlichen Austausch gewürdigt wurde. Mohr betonte die Bedeutung gemeinsamer Anstrengungen angesichts der Herausforderungen in Wohnungsbau, Infrastrukturprojekten und der Energiewende.
Themenblock 1: Straßenbau und Regelwerke
Im ersten Block beleuchteten Referenten die aktuellen Herausforderungen und Projekte im Straßenbau. Dr. Thomas Chakar, Referent im Verkehrsministerium Baden-Württemberg, gab Einblicke in die Situation der Infrastruktur im Land. Baden-Württemberg steht vor der Aufgabe, umfangreiche Sanierungsmaßnahmen an Brücken durchzuführen. Zudem fließen rund 413 Millionen Euro in das Radwegeprogramm des Landes, das den Bau von 1300 Kilometern Radschnellverbindungen vorsieht, um nachhaltige Verkehrsmittel zu fördern. Chakar präsentierte auch das „Handbuch Qualitäts-Straßenbau Baden-Württemberg 4.0 (QSBW 4.0)“, das einen digital gesteuerten Bauprozess etabliert und eine hohe Einbauqualität im Straßenbau gewährleisten soll. Ziel ist es, die Lebensdauer der Straßenbeläge zu verlängern und Qualitätsmängel frühzeitig zu identifizieren.
Björn Beutinger, Vertreter der Autobahn GmbH Südwest, skizzierte die langfristigen Ziele der Autobahngesellschaft. Bis 2040 soll die Autobahn GmbH klimaneutral werden und den Einsatz von Baustoffen bis 2030 zu 90 % in den Stoffkreislauf integrieren. Diese Maßnahmen sollen die Autobahnen an den Klimawandel anpassen, indem die Straßen hitze- und kälteresistenter gestaltet werden. Die nachhaltige Bewirtschaftung der Autobahnen unter Berücksichtigung von Verkehrssicherheit und Verfügbarkeit sei eine zentrale Zielsetzung, so Beutinger.
Alexander Grünewald vom InformationsZentrum Beton stellte die neue Normengeneration DIN EN 1045 im Bereich des Stahlbetonbaus vor. Die aktualisierte DIN 1045 umfasst eine umfassende Überarbeitung der Regelungen im Stahlbetonbau und legt besondere Schwerpunkte auf die Qualitätssicherung. Hierbei wird ein neues System der Betonbauqualitätsklassen (BBQ) eingeführt, das die Bauqualität über alle Schnittstellen hinweg gewährleistet, von der Planung bis zur Ausführung.
Themenblock 2: Innovationen und Anwendungen
Im zweiten Themenblock ging es um innovative Ansätze und praktische Anwendungen in der Baustoffindustrie. Dr. Stephan Hilgert, Geschäftsführer der limknow GmbH, stellte ein Forschungsprojekt zur nachhaltigen Nutzung von Baggerseen vor. In einem durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderten Projekt wurden mit Hilfe von Drohnen die Sand- und Kiesvorkommen in einem Baggersee bei Breisach kartiert. Die Erkenntnisse aus diesem Projekt sollen eine gezielte und ressourcenschonende Gewinnung von Rohstoffen ermöglichen. So können Betreiber die Kiesvorkommen effizienter nutzen und mögliche Problembereiche für die Gewinnung frühzeitig erkennen.
Ein weiterer Vortrag in diesem Themenblock kam von Markus Holder und Michael Högerle, Vertreter der 3R Rohstoff und Recycling GmbH. Sie stellten den 3RC-Pflasterstein vor, einen Pflasterstein, der zu 70 % aus recyceltem Material, insbesondere aus Bauschutt, hergestellt wird. Holder betonte, dass Recycling und Wiederverwendung von Materialien eine wichtige Rolle in der Zukunft der Baustoffindustrie spielen werden.
Themenblock 3: Nachhaltigkeit und Digitalisierung
Im dritten Themenblock setzte Leopold Spenner von der alcemy GmbH den Schwerpunkt auf die Verknüpfung von Nachhaltigkeit und Digitalisierung in der Baustoffindustrie. Hierbei stellte er eine KI-basierte Software vor, die die Qualität von Beton- und Zementproduktionen in Echtzeit überwachen und optimieren kann. Diese Technologie ermöglicht es, Schwankungen in der Produktionsqualität auszugleichen und dadurch Ressourcen zu sparen sowie CO₂-Emissionen zu reduzieren. Die Software entlastet die Arbeitskräfte und ermöglicht eine präzise Steuerung der Mischungen, was besonders bei anspruchsvollem Betonen relevant ist.
Prof. Dr. Marcus Geimer vom Karlsruher Institut für Technologie (KIT) schloss an dieses Thema an und erläuterte die Rolle der KI in der Baustoffbranche. Anhand von Beispielen wie Maschinen, Baumstämme mittels 3D-Modellierung eigenständig laden können, veranschaulichte er die Einsatzmöglichkeiten jener. In Steinbrüchen könnten intelligente Systeme beispielsweise Fahrzeuge sicherer navigieren und die optimale Abbaukante bestimmen, was Unfälle vermeidet und Arbeitsprozesse effizienter gestaltet.
Fazit
Der Baustoff-Technik-Tag in Filderstadt bot den Teilnehmenden eine umfassende Plattform zum Austausch über zentrale Themen der Baustoffindustrie. Durch den Fokus auf neue Technologien und nachhaltige Ansätze wird die Branche auf die kommenden Herausforderungen vorbereitet. Oliver Mohr fasste in seinem Grußwort zusammen, dass Kooperation und Wissenstransfer entscheidend seien, um die gewaltigen Aufgaben im Bauwesen gemeinsam zu bewältigen und einen Beitrag zur Lösung der gesellschaftlichen Herausforderungen wie dem Wohnungsbau, der Infrastrukturentwicklung und der Energiewende zu leisten.