13. Baustoff-Technik-Tag: Ausblicke und Innovationen für klimasicheres Bauen
Die Anforderungen für den Wohnungs- und Straßenbau der Zukunft sind hoch: Klimaneutralität soll schnell erreicht, die Bauqualität gesichert und dabei regional produziert werden. Auf dem diesjährigen Baustoff-Technik-Tag in Filderstadt (06.02.2024) betonte Thomas Karcher, Vizepräsident des Industrieverbands Steine und Erden Baden-Württemberg e.V. (ISTE), die Bedeutung dieser Ziele für eine zukunftsfähige Bau- und Rohstoffbranche.
Rund 70 Vertreter: innen aus Industrie, Wissenschaft und Behörden kamen zusammen, um Lösungen für eine klimaneutrale Transformation zu diskutieren. Im Mittelpunkt standen technische Innovationen, politische Rahmenbedingungen und aktuelle Forschungsansätze, um nachhaltiges Bauen voranzutreiben.
Heller Asphalt und Recycling – Zukunftsstraßen im Fokus
Aus Sicht der Verwaltung steht im Straßenbau vor allem ein durchdachtes Investitionsmanagement im Vordergrund. Vera Schmidt vom Ministerium für Verkehr Baden-Württemberg, zuständig für Straßenbautechnik, Wiederverwertung und Vergabewesen, stellte die Innovationsmaßnahmen der Landesregierung in der Verkehrsinfrastruktur vor. Die aktuellen Daten zeigten, so Schmidt, dass der Schwerpunkt eindeutig auf dem Erhalt und nicht auf dem Neubau der Infrastruktur liege. „Der Wille der Landesregierung, klimafreundliche Techniken zu fördern, ist groß“ so Vera Schmidt und fügte mit Blick auf deren Eckpunktepapier zur CO2-Reduktion an: „Um CO2 zu reduzieren, braucht es eine rasche Mobilitätswende und einen guten Austausch mit der Industrie.“ Denn auch durch Baustoffe und Bauverfahren in der Straßen- und Verkehrsinfrastruktur könnten wesentliche Emissionen eingespart werden, so die Referentin. Als technischen Ansatz brachte Schmidt das Thema aufgehellte Asphaltdeckschichten mit. Diese können – neben mehr Beschattung – die Oberflächentemperatur deutlich senken und das Mikroklima verbessern, wie aktuelle Pilotprojekte zeigen.
Dabei hob sie hervor, dass Baden-Württemberg im Vergleich zu anderen Bundesländern mit der alpinen Moräne bereits auf einem hohen Helligkeitsniveau liege. Die Ergebnisse der Pilotstrecken zeigen dies deutlich. Es sei daher sinnvoll, mit diesem in Baden-Württemberg dezentral gewonnenen Rohstoff weiter zu bauen.
Die Aufhellung von Verkehrsflächen war auch Thema des Vortrags von Lena Mugele, einer Masterabsolventin der Hochschule für Technik in Stuttgart, die ihre Forschungsarbeit zu urbanem Klimawandel und Klimaanpassung vorstellte. Sie untersuchte, welche Oberflächeneigenschaften das Aufheizen in Städten verringern könnten. Eine Parameterstudie ihrer Ergebnisse zeigte, dass Asphaltarten mit hoher Rohdichte, Wärmeleitfähigkeit, Wärmeübergangskoeffizient und geringem Absorptionsgrad kühlend wirken. Helle Oberflächen, wie weiß eingefärbter oder sandgestrahlter Asphalt sowie Waschbeton, erwiesen sich als besonders wirksam. Für den städtebaulichen Wandel brauche es neben aufgehellten Straßen auch ausreichende Frischluftzufuhr, um für mehr Kühlung in den Städten zu sorgen, so Mugele.
Björn Beutinger von der Autobahn Südwest GmbH präsentierte aktuelle regionale Pilotprojekte zur ressourcenschonenden Optimierung im Autobahnbau. Zu den Maßnahmen zählen die Verkürzung von Transportwegen, die Wiederverwendung von Granulat direkt vor Ort und die Vergabe von Bauaufträgen nach emissionsangepassten Kriterien. Zudem sollen langlebigere Asphalttragschichten die Nutzungsdauer der eingesetzten Rohstoffe verlängern, wie Beutinger betonte. Personalmangel und komplexe Auflagen der Verwaltung stellten jedoch eine große Herausforderung für die innovative Autobahninstandhaltung dar.
Auch die Baustofftechnik wurde thematisiert, insbesondere das bestehende Regelwerk. Hannes Krüger, Geschäftsführer Technik beim Bundesverband der Deutschen Transportbetonindustrie e.V. (BTB), stellte die neue Normengeneration DIN 1045 für den Betonbau vor, die seit August 2023 gültig ist. Er erläuterte ausführlich Teil 2 und den neuen Teil 1000. Die DIN 1045-2 bleibt das wesentliche Dokument für die Herstellung und Lieferung von Transportbeton und umfasst nun sowohl Abschnitte aus der EN 206 als auch nationale Ergänzungen zum BBQ-Konzept. Damit ersetzt die DIN 1045-2 den bisherigen DIN-Fachbericht 100.
Die komplett neue DIN 1045-1000 führt das BBQ-Konzept samt Kommunikationsprozess ein und stellt als Schnittstelle zwischen Planung, Betontechnik und Bauausführung die Qualität im Betonbau sicher.
R-Zement, 3D-Druckbeton und Grinding – Praktische und technische Lösungen
Bei aller Anstrengung zur Optimierung – es wird bereits viel recycelt. Frank Schlotter und Horst Erler von Holcim Süddeutschland GmbH sowie Michael Brogle von Neustark sprachen sich gemeinsam in einem starken Plädoyer für mehr Tempo in Richtung Kreislaufwirtschaft aus. Beton, als mengenmäßig weltweit meistverwendetes Material, verursacht allein 7-8% der globalen CO₂-Emissionen. Diese Belastung müsse angesichts der kritischen Klimasituation dringend reduziert werden.
Die Unternehmen brachten wertvolle Erfahrungen aus der Schweiz mit: Technologisch sind die Fortschritte im Beton- und Zementrecycling groß, doch in Deutschland hakt es bei der Zulassung. „Die Schweiz hat diesen Zement schon lange“ - seit 2017, so Erler. Dort ist Mischgranulat für alle Anwendungen zugelassen und sogar in die Norm aufgenommen. Neustark geht laut Brogle sogar noch weiter, indem es Beton rekarbonatisiere, finanziert durch freiwilligen Emissionshandel. Das Fazit: „Wir müssen schneller werden, damit uns die Zukunft nicht einholt“.
Nach Zukunftsmusik klingt der mobile 3D-Betondrucker KARLOS der Putzmeister Holding GmbH. Markus Schilling erläuterte die vollautomatisierte Betonverarbeitungstechnik des Baumaschinenherstellers. Dabei kämen auch elektrische Maschinen für verschiedenste Produktionsschritte zum Einsatz, wie zum Beispiel eMischer. Die Vision: „Wir wollen einen durchgängigen digitalen Prozess, um nachhaltiger und kosteneffizienter zu bauen.“
Innovation bedeutet auch, Altbewährtes technisch zu sanieren und im Sinne von Nachhaltigkeit und Ressourcenschonung langfristig zu erhalten. Thomas Wolf von STRABAG GmbH stellte dazu das „Grinding“ vor: Dabei werden Längsrillen in die Waschbeton-Oberfläche von Autobahnen gefräst. Das Ergebnis ist eine nur drei Millimeter dünnere, aber deutlich griffigere und ebenere Fahrbahn, was den Verschleiß verlangsamt und den Lärm mindert. So kann bei neuen Strecken auch Zement eingespart werden.
Daniel Schulz brachte ebenfalls eine Optimierung bewährter Prozesse mit. „INSITER ist ein Schnittstellennormierungskonzept“, erklärte der Vertreter der Oberrhein-Handels-Union GmbH & Co. KG. Digitale Prozessabwicklungen seien unverzichtbar geworden; der Informationsbedarf steige, und es müssten sichere, benutzerfreundliche, technologieoffene Systeme bereitgestellt werden. Der Arbeitskreis Digitalisierung des ISTE habe diese Herausforderung angenommen und die digitale Kundenschnittstelle durch INSITER realisiert.
Wasserstoff als Energieträger der Zukunft
Aber was, wenn alle Optimierungsmöglichkeiten ausgeschöpft sind? Maike Schmidt vom Zentrum für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung Baden-Württemberg (ZSW) lieferte Antworten: „Der letzte Schritt zur Klimaneutralität der Baustoffbranche wird ohne synthetischen Wasserstoff als Energieträger nicht möglich sein.“ Die Diplom-Wirtschaftsingenieurin stellte die Ergebnisse einer umfassenden Wasserstoffbedarfsermittlung vor, die zeigt, dass für den geplanten Wasserstoffnetzausbau genaue Bedarfsanalysen notwendig sind. Die Anforderungen an Neutralität und grüne Energie werden zunehmend entscheidend für die Standortwahl, was Politik und Industrie vor erhebliche logistische Aufgaben stellt. Neben vernetzten Wasserstoff-Hubs sollte auch die Vor-Ort-Erzeugung mit mobilen Elektrolyseuren in Betracht gezogen werden.
Fazit
Der Baustofftechniktag machte deutlich, dass das Klima in der Baustoffbranche im Wandel ist. Zukunftssicheres Bauen bedeutet klimasicheres Bauen – und die Branche ist bereit, diese Herausforderung mit vielfältigen Ansätzen und großem Engagement anzugehen.